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Ihre
kleinen Leibwächter
Auch wenn Sie sie nicht sehen, die
Kämpfer Ihres Immunsystems sind immer für Sie im Einsatz
Um ihren Garten winterfest zu machen, haben
Sie das Laub aufgeharkt und das Dorngestrüpp an der Mauer weggeschnitten.
Doch am Abend ist einer Ihrer Daumen rot und geschwollen. Und in der
Mitte, wo Sie sich an einem Dorn gestochen haben, bildet sich am nächsten
Tag ein Eiterpfropf. Gefährlich? Nein, nur der Beweis, dass Ihr
Immunsystem funktioniert. Sie sehen es gerade bei der Abwehrschlacht.
Durch den Stich in die Haut sind nämlich Bakterien aus der Gartenerde ins
Gewebe eingedrungen. Die bekämpft Ihr Körper jetzt, so wie Sie im Garten
das Gestrüpp bekämpft haben.
"Das Immunsystem gehört zu den größten und gewichtigsten
Organen des menschlichen Körpers", sagt die Biologin und
Medizinautorin Gabriele Kautzmann. Beim Erwachsenen wiegt es rund ein
Kilo. Allerdings kann man es nicht im Ganzen auf die Waage legen.
"Seine Bestandteile sind überall: im Blut, im Lymphsystem, in den
Organen und Geweben und auch in der Haut", erklärt Kautzmann.
Die
körpereigene Armee
Wie eine
Streitmacht mit zahlreichen Waffengattungen verteidigt uns das Immunsystem
gegen Angriffe von Krankheitserregern. Es ist ein hoch kompliziertes
System, "noch lange nicht völlig erforscht und verstanden",
sagt der Immunologe Ernst-Peter Rieber, Professor an der Technischen
Universität Dresden. Aber einige Soldaten der Streitmacht kennt die
Wissenschaft recht gut.
Fußsoldaten
fressen den Feind
Der russische Zoologe Ilja Metschnikow
entdeckte 1883 beim Seestern die Fresszellen. Er beobachtete, dass in der
Larve - der Seestern ist als Jungtier durchsichtig - Zellen
umherschwammen. Stach er das Tier mit einem Pflanzendorn, sammelten sie
sich an der Stichstelle und bauten den Fremdkörper ab.
Wie man heute weiß, hat auch der Mensch Fresszellen: So genannte
Makrophagen patrouillieren durch den Körper und suchen nach Bakterien,
verschlingen und verdauen sie. Auf dieselbe Art bekämpfen sie
abgestorbene oder von Viren befallene Körperzellen. Die Makrophagen sind
die Fußsoldaten des Immunsystems
Kampfstoffe
im Einsatz
Werden die Makrophagen mit einer
Bakterieninvasion nicht allein fertig, rufen sie mittels Botenstoffen
Verstärkung herbei: die Granulozyten. Auch diese gehören zu den
Fresszellen, haben aber zusätzlich Bläschen voll chemischer Kampf- und
Signalstoffe im Bauch. Diese C-Waffen schütten sie auf dem Schlachtfeld
aus. Das steigert die Durchblutung, damit zerstörte Bakterien schneller
abtransportiert werden. Wir spüren diese Reaktion als schmerzhafte und
hitzige Entzündung. Und wenn die Fresszellenarmee groß genug wird,
können wir sie sogar sehen - als Eiter. Doch die Fresszellen bilden nur
die vorderste Verteidigungslinie.
Solide
Grundausbildung
Bei einem Großangriff von
Krankheitserregern werden weitere Zellen aktiv, die Lymphozyten. Sie
werden im Knochenmark gebildet, und ein Teil von ihnen entwickelt sich im
Thymus weiter. Bei Kindern ist dieses Organ, das hinter dem Brustbein
liegt, handtellergroß, bei Erwachsenen wird es kaum noch gebraucht und
verkümmert.
Der Thymus ist das Ausbildungslager für die Spezialtruppen des
Immunsystems: Hier lernen viele der T-Lymphozyten, wie sie nach ihrem
Ausbildungsort genannt werden, eigenes Gewebe von Fremdstoffen (Antigenen)
zu unterscheiden - etwa von Bakterienbruchstücken, Bausteinen von Viren
oder Substanzen, die für Würmer charakteristisch sind.
Jede
Armee braucht Offiziere
Befehligt werden die Lymphozyten von den so
genannten T-Helfer-Zellen, die trotz ihres bescheidenen Namens die Offiziere
des Immunsystems sind. Sie warten in ihren Kommandozentralen, den
Lymphknoten. Machen sie einen Feind aus, treiben sie die B-Zellen, eine
Art Rüstungsbetrieb, zur Arbeit an. Die Oberfläche dieser Zellen ist mit
Antikörpern gespickt, die von Zelle zu Zelle verschieden sind und jeweils
exakt zu einem Fremdstoff passen. Auf den Befehl der T-Helfer- Zellen hin
schwellen die zuständigen B-Zellen an, teilen und vermehren sich. Jede
einzelne produziert dabei massenhaft Antikörper.
Kleine
Waffen mit großer Wirkung
In
den Blutkreislauf entlassen, heften sich die Antikörper an die Bakterien
an und markieren sie. Fresszellen eilen in Truppenstärke herbei und
dezimieren den Feind. Außerdem aktivieren die Antikörper immunologische
Wirksubstanzen, die so genannten Komplementfaktoren - Killer-Eiweiße, die
Löcher in die Bakterienwand bohren, noch mehr Fresszellen anlocken und so
die Vernichtung der Bakterien beschleunigen. Jetzt, ein paar Stunden nach
dem Angriff, ist die Abwehrschlacht auf ihrem Höhepunkt. In ein paar
Tagen wird das Immunsystem siegen. Anders gesagt: Ihr Daumen heilt.
Geheimagenten
gegen Viren
Schwieriger wird es für Ihre körpereigene
Abwehr, wenn Viren angreifen. Denn Viren verstecken sich in menschlichen
Körperzellen und benutzen sie für die eigene Vermehrung. Hat ein Virus,
etwa bei einem Schnupfen, eine Zelle Ihrer Nasenschleimhaut gekapert,
produziert die Schleimhautzelle neben den eigenen Eiweißstoffen
(Proteinen) plötzlich eine Menge virenspezifisches Protein. Teile davon
erscheinen an der Zelloberfläche und sind als Antigen erkennbar.
Das ist das Einsatzsignal für die Geheimagenten Ihres Immunsystems: die
T-Zellen vom Killertyp. Haben sie das Virus entdeckt, schütten sie einen
Botenstoff aus, welcher der infizierten Zelle einen Selbstmordbefehl
erteilt. Zusätzlich ätzt die Killerzelle Löcher in die Wand der kranken
Schleimhautzelle. Diese wird geopfert, damit sie den Viren nicht weiterhin
als Brutstätte dient. Grausam, aber kriegsentscheidend!
Aus
Erfahrung lernen
T- und B-Zellen
lernen aus Erfahrung; sie bilden sozusagen das "Gedächtnis"
unseres Immunsystems. Haben sie einen Angriff einmal zurückgeschlagen,
sind sie bei der nächsten Attacke desselben Feindes viel schneller auf
ihrem Posten.
Wenn es sein muss, opfert das Immunsystem auch kranke körpereigene Zellen
Diesen Effekt nutzen die Impfstoffe: Bei der Impfung gegen Kinderlähmung
werden uns beispielsweise abgeschwächte Polio-Viren injiziert. Sofort
bildet unser Körper passende Antikörper. Die machen uns auch gegen die
echten Polio-Viren immun.
Wenn
das Immunsystem versagt
Wie jede Armee gewinnt auch unser
Immunsystem nicht jede Schlacht, und manchmal verliert es sogar den ganzen
Krieg: Gegen Krebs zum Beispiel sind seine Waffen unzureichend. Bei Aids
muss es kapitulieren, weil das HI-Virus ausgerechnet die körpereigenen
Soldaten und Offiziere, insbesondere die T-Helfer-Zellen, angreift.
Und das System macht Fehler. Einer der häufigsten ist die allergische
Reaktion: eine Immunantwort auf harmlose Stoffe, etwa Nahrungsmittel,
Blütenpollen oder Staub. Es ist, als greife die Armee aus Versehen
Zivilisten an! "Zwischen 15 und 25 Prozent der Deutschen sind von
Allergien betroffen", sagt Professor Gerhard Metzner, Immunologe von
der Universität Leipzig. In Österreich sind die Zahlen ähnlich. Seit
hundert Jahren beobachten Mediziner ein Ansteigen der Allergikerzahlen.
Langeweile
in der Armee
Bei einem Leben in
Wald und Feld, an das die Evolution uns Menschen angepasst hat, sind viele
natürliche Feinde zu bekämpfen: neben Bakterien und Viren auch
Parasiten, etwa Würmer. Heute ist das anders: "Unsere
Umweltbedingungen haben sich geändert. Wir leben zu hygienisch",
erklärt Metzner. Unser Immunsystem ist unterbeschäftigt.
Deshalb lässt es sich beim Allergiker durch die falschen Reize aktivieren
- etwa durch Katzenhaare oder Erdbeeren. Arzt und Patient müssen dann
gemeinsam nach dem Auslöser fahnden, dem Allergen. Ein seltenes Allergen,
zum Beispiel Eiweiß von Krustentieren, kann der Patient einfach meiden.
Bei Allergien gegen Allerweltsreize wie Pollen oder Hausstaub hilft nur
eine Hyposensibilisierung. "Dabei wird das Allergen in steigenden
Dosen gespritzt, damit der Körper sich an den Stoff gewöhnt",
erläutert Metzner.
Das
Immunsystem
stärken
Da die Streitmacht in unserem Körper nicht
unbesiegbar ist, sucht die Medizin seit langem nach Wegen, das Immunsystem
besser zu unterstützen. Schutzimpfungen haben sich dabei bewährt: Kinder
sollten laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission der Bundesregierung
ab dem dritten Monat gegen Polio, Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf
und Hepatitis B immunisiert werden sowie gegen das Hib-Virus (Haemophilus
influenzae Typ B), das Lungen- und Hirnhautentzündungen bewirkt.
Impfungen gegen die Krankheiten Masern, Mumps, Windpocken und Röteln
kommen ab dem zwölften Monat hinzu.
Erwachsenen werden regelmäßige
Auffrischungsimpfungen gegen Diphtherie und Tetanus (alle zehn Jahre)
empfohlen. Etwa vom 60. Lebensjahr an sollte man sich alle sechs Jahre
gegen Lungenentzündung impfen lassen. Gegen Grippe empfiehlt sich eine
jährliche Impfung.
Andere wirksame Mittel, die das Immunsystem unterstützen, sind ohne
Arztbesuch und kostenlos zu haben: genügend Schlaf, maßvolle sportliche
Betätigung und ein ausgeglichenes Seelenleben. Auch die gute alte
Kneippkur, also die Abhärtung des Körpers mit kaltem Wasser, gilt als
effektives Training für die körpereigene Streitmacht. Nachgewiesen ist,
dass sich die Zahl bestimmter Antikörper und Lymphozyten nach dem
Kneippen erhöht.
Laut Professor Jürgen Schrezenmeir von der Bundesforschungsanstalt für
Ernährung und Lebensmittel in Kiel ist auch an den angeblich die
Abwehrkräfte stärkenden Jogurts mit den so genannten Probiotika etwas
dran. "Einige Stämme helfen bei Durchfall, indem sie die natürliche
Darmflora ins Lot bringen und das Immunsystem stimulieren", sagt er.
"Sie regen zum Beispiel die Bildung von T-Zellen an." Nach einer
Untersuchung seines Labors an 500 Senioren kann ein Cocktail probiotischer
Bakterien Dauer und Schwere von Erkältungen mindern.
"Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird die Schubfrequenz durch
ein Probiotikum verlangsamt", berichtet Professor Jan Buer von der
GBF, der zu diesen autoimmun bedingten chronischen Entzündungen der
Darmschleimhaut forscht.
Weniger klar ist die Wirkung anderer Präparate, die gern zur
Immunstimulation genommen werden: etwa Zink oder Echinacin, der Wirkstoff
des Roten Sonnenhuts. Dass sie helfen, ist wissenschaftlich schwer zu
beweisen. "Es besteht aber auch kein Risiko, wenn man diese
Präparate nimmt", erklärt Professor Rieber aus Dresden.
"Medizin ist in weiten Teilen eine Erfahrungswissenschaft; da kann
man, wenn es um die Stärkung der Immunabwehr geht, ein wenig
herumprobieren, was einem selbst am besten hilft."
JUDITH RAUCH
Unterstützen
Sie Ihr Immunsystem
Mit dieser Checkliste können Sie
überprüfen, ob Sie etwas für Ihre körpereigene Abwehr tun
1. Ist Ihr Impfschutz vollständig? Denken Sie auch an die
Auffrischungsimpfungen!
2. Pflegen Sie einen gesunden Lebensstil? Dazu gehören genug Schlaf,
sportliche Betätigung, eine vernünftige Ernährung und ein
ausgeglichenes Seelenleben.
3. Sind Sie abgehärtet? Die gute alte Kneippkur mit Kaltwasser gilt als
effektives Training der Abwehrkräfte.
4. Essen Sie probiotische Jogurts? Die darin enthaltenen Mikroorganismen
stimulieren sehr wahrscheinlich das Immunsystem.
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