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Guten
Appetit!
Ist Fleisch nun gesund oder nicht?
Zehn Antworten auf Fragen rund um den tierischen Genuss
Kann man
heute noch guten Gewissens Fleisch essen, und sind vegetarische Mahlzeiten
gesünder als Steak, Grillwurst und Co? Ja, kann man, und nein, sind sie
nicht. Reader's Digest hat bei Ernährungs- und Landwirtschaftsexperten
nachgefragt. Und festgestellt: Fleisch ist ein wertvolles Nahrungsmittel,
das pflanzliche Kost ideal ergänzt.
1.
Braucht
der Mensch Fleisch?
Nein,
man kann auch ohne leben, wie Millionen Vegetarier beweisen. Aber: Mit
Fleisch ist es wesentlich leichter, sich gesund zu ernähren. Es enthält
viele wertvolle Stoffe in einer Form und Mischung, die der menschliche Körper
gut verwerten kann.
So kommen in tierischem Eiweiß alle essenziellen Aminosäuren vor. Das
sind Proteinbausteine, die der Mensch zwar benötigt, beispielsweise für
die Muskel- und Nervenfunktion, aber nicht selbst bilden kann und deshalb
über die Nahrung aufnehmen muss. Im Gegensatz zu Fleisch enthält
pflanzliches Eiweiß immer nur bestimmte essenzielle Aminosäuren. Um alle
abzudecken, muss man also verschiedene pflanzliche Lebensmittel gekonnt
miteinander kombinieren.
Auch die Zusammensetzung der Fettsäuren im Fleisch ist günstig, stellt
Ingrid Seuß-Baum, Professorin für Lebensmitteltechnologie in Fulda,
fest. Dies gilt insbesondere für durchwachsenes Schweinefleisch.
Fleisch gilt darüber hinaus als sehr gute Quelle für die Vitamine B1,
B2, B6 und B12, die allesamt wichtige Stoffwechselprozesse regeln, sowie für
die Vitamine A (gut für die Augen) und D (gut für die Knochen). Auch als
Zink und Eisenspender ist es unübertroffen, denn – so der Ernährungswissenschaftler
und Buchautor Dr. Nicolai Worm aus Berg bei München: "Das
Verdauungssystem des Menschen kann diese Mineralien aus Pflanzen
wesentlich schlechter aufnehmen."
In der Schwangerschaft kann es sogar riskant sein, völlig auf Fleisch zu
verzichten. Die Gesundheit von Mutter und Kind hängt auch von einer
ausreichenden Versorgung mit den Mikronährstoffen Eisen, Vitamin A,
Selen, Folsäure und Vitamin B12 ab. Und für diese ist Fleisch die
wesentliche Quelle, darauf weist Professor Hans Konrad Biesalski vom
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität
Stuttgart-Hohenheim hin.
2.
Sind Vegetarier gesünder?
Zahlreiche
Studien haben gezeigt, dass Vegetarier im Allgemeinen eine etwas höhere
Lebenserwartung haben. "Vegetarier verhalten sich außer in der Ernährung
auch in anderen Lebensbereichen gesundheitsbewusster", sagt Professor
Claus Leitzmann, einer der bekanntesten Ernährungswissenschaftler
Deutschlands. Er war bis zu seiner Pensionierung Leiter des Instituts für
Ernährungswissenschaft an der Universität Gießen. "Sie rauchen
weniger, trinken weniger Alkohol und bewegen sich mehr."
Leitzmann wollte es genauer wissen und hat die Nährstoffversorgung von
drei Gruppen verglichen: Durchschnittsbürgern, vegetarischen Vollwertköstlern,
die Eier und Milch, aber kein Fleisch konsumieren, und Vollwertköstlern,
die ein- bis zweimal pro Woche Fleisch essen. Letztere Gruppe erwies sich
als die am besten mit Nährstoffen versorgte, dicht gefolgt von den
Vegetariern – ein Grund, weshalb der überzeugte Vegetarier Leitzmann
das fleischlose Leben nicht zum Dogma macht.
3.
Wie
viel Fleisch ist gesund?
Bei
kaum einer anderen Frage gehen die Meinungen der Experten so auseinander.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen,
nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu verzehren.
Satt essen soll man sich nicht an Schweinebraten und Leberwurst, sondern
an Brot, Nudeln, Reis, Vollkornflocken und Kartoffeln. Dazu täglich
Milchprodukte sowie reichlich Obst und Gemüse und einmal in der Woche
Fisch.
Derzeit essen die Deutschen etwa zwei- bis dreimal so viel Fleisch und
Wurst wie von der DGE empfohlen, nämlich rund 60 Kilo pro Jahr, die Österreicher
verzehren sogar gut 65 Kilo. Das ist auch in Ordnung, meint Professor
Wolfgang Branscheid, Sprecher der Bundesanstalt für Fleischforschung im
bayerischen Kulmbach: "Für eine stärkere Begrenzung des
Fleischkonsums gibt es keine wissenschaftliche Begründung." Das
Problem ist vielmehr, dass die Menschen in den Industrienationen im
Allgemeinen "zu viel, zu fett, zu süß, also zu energiereich"
essen und sich zu wenig bewegen, so der Professor.
Für Kinder zwischen vier und 14 Jahren empfiehlt das Forschungsinstitut für
Kinderernährung in Dortmund ähnlich wie die DGE einen mäßigen Fleisch-
und Wurstkonsum: 40 bis 75 Gramm pro Tag.
Und die Senioren? "Qualität statt Quantität" ist die richtige
Devise auch für die Ernährung im Alter, erklärt der Hamburger Ernährungswissenschaftler
Professor Michael Hamm. Mageres Fleisch bereichert wegen seiner
Mineralstoffe und Vitamine dann den Speiseplan.
4.
Weiß oder rot?
Diese
Frage lässt sich kurz und knapp beantworten: Essen Sie, worauf Sie Lust
haben, und am besten wechseln Sie ab! Rotes Fleisch von Rind, Schwein,
Lamm oder Wild hat etwas mehr Eisen, das ist gesund. Weißes Fleisch von
Huhn oder Pute ist meist magerer, auch das ist gesund. Dieses Fleisch
sollte aber wegen möglichem Salmonellenbefall richtig durchgegart werden,
damit es nicht zu Infektionen kommt.
5.
Wie sicher ist unser Fleisch?
"Sicherer denn je", sagt Dr. Lore Schöberlein, Fleischexpertin
von der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Dresden. Tatsächlich
regeln zahlreiche Vorschriften Aufzucht, Transport und Schlachtung der
Tiere, genauso wie den hygienischen Umgang mit Fleisch bis zur Ladentheke.
Medikamente beispielsweise sind nur bei kranken Tieren erlaubt; nach der
Verabreichung muss einige Tage gewartet werden, bis geschlachtet werden
darf. Einzige Ausnahme: Nach wie vor dürfen in der Europäischen Union
Antibiotika als Wachstumsförderer verabreicht werden; vor allem Schweinemäster
setzen die Medikamente ein. Bis Ende 2005 soll auch dies verboten sein.
BSE hat die Fleischwirtschaft zu drastischen Maßnahmen gezwungen: So ist
die Verfütterung von Tiermehl, das als Infektionsquelle gilt, an Wiederkäuer
seit 1994 EU-weit verboten. So genanntes Risikomaterial wie Hirn und Rückenmark
wird beim Schlachten säuberlich vom Rest getrennt. Tiere, die älter als
zwei Jahre sind, werden auf BSE getestet. Trotzdem bleibt für den
Verbraucher ein Restrisiko, weil die Tests erst reagieren, wenn die
Infektion im Tierhirn schon weit fortgeschritten ist; Infektionen bei
Jungtieren bleiben so unentdeckt.
Für mehr Transparenz sorgen innerhalb der EU auch die
Rindfleisch-Kennzeichnungsbestimmungen: Verbraucher können an der
Verpackung ablesen, in welchem Land das Tier, dessen Fleisch sie kaufen,
geboren und aufgezogen, wo es geschlachtet und zerlegt wurde. Auf Wurst
und Fleisch, das von verschiedenen Tierarten stammt, wie Gulasch und Hack,
fehlen die Etiketten allerdings. Bei diesen Waren wird in der Regel
Fleisch unterschiedlicher Herkunft verarbeitet. Die Rückverfolgbarkeit lässt
sich dann nicht mehr garantieren.
6.
Was ist dran am Bio-Fleisch?
Wer
außer auf Lebensmittelsicherheit auch Wert legt auf artgemäße Haltung
der Tiere sowie auf Futtermittel, die zum größten Teil aus Öko-Landbau
stammen, sollte zu Bio-Fleisch greifen. Es schmeckt oft besser als
konventionell erzeugtes. Dafür ist es aber auch bis zu doppelt so teuer.
Produkte, die mit "Bio" oder "Öko" gekennzeichnet
sind, müssen die EU-Vorgaben für Öko-Produkte erfüllen. In Deutschland
beispielsweise kann der Verbraucher viele dieser Waren an einem
sechseckigen Siegel erkennen, das den schwarz-grünen Schriftzug
"Bio" trägt. Daneben gibt es noch die Prüfzeichen der
Erzeugerverbände (wie Demeter, Bioland, Biopark, Gäa usw.), deren
Richtlinien noch strenger sind als die der Europäischen Union.
7.
Kann man noch Innereien essen?
Rinderhirn ist BSE-Risikomaterial – man bekommt es in der EU nicht mehr
zu kaufen. "Schweinehirn ist nach heutiger Kenntnis ungefährlich,
aber sehr fett und nicht empfehlenswert", erklärt Professor Wolfgang
Branscheid von der Bundesanstalt für Fleischforschung. Herz ist eine
Delikatesse und etwas fester als Muskelfleisch.
Leber und Nieren sind Organe, die mit der Ausscheidung von Schadstoffen zu
tun haben. Stammen sie von Jungtieren, sind sie unbedenklich; bei älteren
Tieren können sie mit Schwermetallen und giftigen Abfallprodukten des
Stoffwechsels belastet sein. Die Leber ist wegen ihres hohen Nährstoffgehalts
aber auch so wertvoll, dass Professor Biesalski von der Universität
Stuttgart-Hohenheim sie in kleinen Mengen, also etwa 100 Gramm alle 14
Tage, gerade Schwangeren empfiehlt.
8.
Kein Fleisch bei Krankheiten?
Die
einzige Krankheit, die eine fleischarme Diät erfordert, ist die Gicht.
Aus den so genannten Purinen – das sind Stoffe aus dem Zellkern –
bildet der menschliche Körper Harnsäure. Wird diese ungenügend
ausgeschieden, lagert sie sich als Kristalle zum Beispiel in den Gelenken
ab. Das löst die schmerzhaften Gichtanfälle aus. Ein kompletter Verzicht
auf Fleisch ist für Betroffene weder notwendig noch empfehlenswert. Nur
Innereien sollten sie gänzlich vom Speiseplan streichen. Gichtkranke müssen
auch bei pflanzlicher Kost auf Purine achten, die sich zum Beispiel in
Weizenkeimen oder Hülsenfrüchten finden.
9.
Was gilt es beim Fleischkauf zu beachten?
Vielleicht
haben Sie es schon erlebt, dass ein Schweineschnitzel in der Pfanne
schrumpft und hinterher zäh ist und nach nichts schmeckt. Solches Fleisch
stammt, wie Lore Schöberlein, Expertin der Sächsischen Landesanstalt für
Landwirtschaft, erläutert, meist von Schweinen, die auf einen hohen
Anteil Magerfleisch gezüchtet und besonders stressanfällig sind. Man
erkennt es an der blassen Farbe und daran, dass es schon in der
Fleischtheke im Saft schwimmt.
Kalbfleisch sollte rosa, Schweinefleisch hellrot bis rot sein. Rind- und
Schaffleisch darf etwas dunkler sein, jedoch nicht tief braunrote Farbtöne
erreichen. Feinschmecker achten auch darauf, dass die guten Stücke nicht
zu mager sind, sondern marmoriert, das heißt, mit feinen weißen Fettäderchen
durchzogen. Sind die Tiere im Freiland aufgewachsen und haben viel Gras
gefressen, kann das Fett gelblich sein.
Bei tief gefrorener Ware sollte man auf das Verfallsdatum achten. "Länger
als sechs Monate soll Fleisch nicht lagern, es verliert sonst außerordentlich
an Qualität", erklärt Fleischforscher Wolfgang Branscheid. Bei der
Frischeprüfung in der heimischen Küche kann man sich auf seine eigene
Nase verlassen: Was verdorben riecht, muss weg.
10.
Wie bereitet man Fleisch gesund zu?
Garzeit
und -temperatur spielen auch beim Fleisch eine Rolle, wenn es um gesunde
Zubereitung geht. Vitamine zum Beispiel sind hitzeempfindlich. Beim roten
Fleisch ist die Kerntemperatur entscheidend. Bei Fleischstücken, die
"medium" gegart sind, liegt sie unter 75 Grad. So bleiben
hinreichende Mengen auch hitzeempfindlicher Vitamine erhalten. Wasserlösliche
Vitamine und Mineralien gehen nicht verloren, wenn man den Bratenfond
weiterverwendet. Geflügel hingegen sollte immer gut durchgegart werden.
Wird Fleisch allerdings zu stark erhitzt oder gar verbrannt, können Krebs
erzeugende Stoffe entstehen. "Wer ganz sichergehen will, sollte
Zubereitungsmethoden bevorzugen, bei welchen die Temperatur nicht über
150 Grad ansteigt. Also Kochen, Dünsten oder Garen am besten im Römertopf.
Diese Methoden können bedenkenlos eingesetzt werden", versichert Ernährungswissenschaftler
Nicolai Worm.
Fleischforscher Wolfgang Branscheid, der zu Hause gerne kocht, hat für
alle Grillfreunde einen Kniff parat: "Eine Seite so lange grillen,
bis an der Oberseite Safttröpfchen in kleinen Perlen austreten. Dann
umdrehen und noch einmal so lange garen."
Bleibt nur noch eins zu wünschen: Guten Appetit!
JUDITH RAUCH
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